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Politiker "D"

Bild Oskar Daumiller
geb. 24.03.1882 in Memmingen,
gest. 14.06.1970 in Gräfelfing,
Burschenschaft Bubenreuther Erlangen 1901/02

Daumiller, Oskar, geb. 24.03.1882 in Memmingen, gest. 14.06.1970 in Gräfelfing (Bubenreuther Erlangen 1901/02).

Nach Besuch des Progymnasiums in Memmingen und des Humanistischen Gymnasiums in Kempten (1892-1901) 1901-1905 Studium der evang. Theologie in Erlangen und Leipzig; 1906 Einjährig-Freiwilliger; 1906-1907 Besuch des Predigerseminars in München; 3.3.1907 Ordination in der St. Matthäuskirche in München; 1907-1912 Hilfsgeistlicher in Ingolstadt; 1912-1917 Pfarrer in Zeitlofs und Bad Brückenau/Ufr.; 1914-1917 Divisionspfarrer der 6. Bayer. Reserve-Division; 1917 Pfarrer bei St. Martin II in Memmingen und Hilfsreferent für die evang. Feldseelsorge beim Bayer. Oberkonsistorium; 1922-1933 Pfarrer an der Himmelfahrtskirche in München-Sendling; bis 1934 Vorstand der Diakonissenanstalt München; Mitglied des Wohlfahrts- und Jugendausschusses der Stadt München.

1933 Oberkirchenrat im Landeskirchenrat München. Als solchen schickte ihn Landesbischof Hans Meiser (nachdem dieser selbst von den Nationalsozialisten im Münchener Landeskirchenamt unter Hausarrest gestellt wurde, aber dank der Proteste zahlreicher Protestanten wieder in sein Amt zurückkehren durfte) im Herbst 1934 nach Nürnberg, um den dortigen Kirchenkampf zu verstärken. 1934-1952 wirkte er als Kreisdekan des südbayerischen Kirchenkreises. D. war ein engagierter Vertreter der Bekennenden Kirche im Dritten Reich und führte u. a. Verhandlungen mit Julius Streicher.

1945 organisierte er die Hilfe der Bevölkerung für die ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau. Vorstand des Gustav-Adolf-Werks Bayern, Landesführer der Inneren Mission, 1947 Referent für die evang. Frauenarbeit und den Bayerischen Mütterdienst; 1952 Ruhestand; Pfarrverweser 1953 in Florenz und Genua, 1955 in Bozen. 1951 Dr. h.c. der evang.-theol. Fakultät Erlangen, 1953 BVK 1. Kl., 1963 Bayer. Verdienstorden. Veröffentlichungen u. a.: „Der Herr unserer Gerechtigkeit. Ein Jahrgang Predigten" (1928), „Südbayerns evangelische Diaspora in Geschichte und Gegenwart" (1955), „Geführt im Schatten zweier Kriege. Bayerische Kirchengeschichte selbst erlebt" (1961).

Lit.:
Verzeichnis der Alten Burschenschafter (1928), S. 80; Andreae/Griessbach (1967), Nr. 2197; Nachruf in Bubenreuther-Zeitung 1970, Nr. 3, S. 45; Axel Töllner, „Eine Frage der Rasse? Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, der Arierparagraf und die bayerischen Pfarrfamilien mit jüdischen Vorfahren im Dritten Reich" (2007) a. m. O.; Nora Andrea Schulze, Verantwortung der Kirche. Stenographische Aufzeichnungen und Mitschriften von Landesbischof Hans Meiser 1933-1955, Bd. 3 1937 (2010), S. 1007; Bubenreuther (2017), S. 131 und S. 418, Nr. 2197; Dagmar Pöpping, Kriegspfarrer an der Ostfront. Evangelische und katholische Wehrmachtsseelsorger im Vernichtungskrieg 1941-1945 (2017), S. 252. Internet (24.02.2017): O. D. (Wikipedia), Mitglieder der Bekennenden Kirche. Zur Geschichte der Himmelfahrtskirche München-Sendling. Mitteilungen der Stadtarchive Gräfelfing (Monika Frank) v. 20.03. und Memmingen (Andreas Fröhlich) v. 22.03., von Helmut Christ (Nürnberg) v. 20.03., der Enkelin Barbara Daumiller-Zeil (Gauting) v. 03.08., von Jürgen König (Landeskirchliches Archiv der Ev.-Luth. Kirche in Bayern) v. 07.08. und des Stadtarchivs München (Matthias Röth v. 19.09.2017 (Kopie der Einwohnermeldekarte).
H. D.

 

Carl Heinrich Dettmer

Dettmer, Carl Heinrich, geb. 13.05.1811 in Lübeck als ältester Sohn eines Kaufmanns, gest. 04.06.1879 ebd. (Jenaische Burschenschaft 1830).

Nach krankheitsbedingtem Privatunterricht und Besuch des Lübecker Gymnasiums Katharineum (1821-1829) mit Unterstützung durch ein „Schabbel-Stipendium“ Studium der ev. Theologie in Jena (30 Monate), wo er Hörer u. a. von Ludwig Friedrich Otto Baumgarten-Crusius (1788- 1843) war, in Heidelberg (1 Jahr), Berlin (1/2 Jahr) und Göttingen (1 Jahr).

Er besuchte 1832 von Heidelberg aus das Hambacher Fest; 1832/33 zunächst folgenloses Verhör wegen Teilnahme an der Burschenschaft vor dem Kammergericht, Ostern 1834 in Göttingen, wo er bei einem der späteren „Göttinger Sieben“, dem Orientalisten und Theologen Heinrich Ewald (1803-1875) hörte; aus Dankbarkeit für das Schabbel-Stipendium fertigte er die Arbeit „De vi quam H ZΩH AIΩNIOΣ apud Ioannem obtineat“ an (gedruckt 1834). 12.09.1834 Predigtamtskandidat in Lübeck, dort auf Veranlassung der Bundeszentralbehörde 20.10.1834 verhört, verhaftet, bis zum 19.09.1835 inhaftiert und wegen Teilnahme an der Burschenschaft vom Kammergericht Berlin zu „Mehrjähriger Festungsstrafe“ verurteilt, die „nach eingelegter Appellation“ auf anderthalb Jahre Festungshaft herabgesetzt und in Hausarrest umgewandelt wurde.

Febr. 1838 aus Gesundheitsgründen endgültig begnadigt; Dr. phil. in Kiel durch Einreichung der o. g. 1834 in Göttingen gefertigten und publizierten Arbeit; 1838 Hilfslehrer am Katharineum in Lübeck, dort 1841 Kollaborator, 1841-1851 Redakteur der „Neuen Lübeckischen Blätter“, 1846-1871 Vorstand des Schullehrerseminars; 1854 Vierter, 1856 Zweiter Oberlehrer am Katharineum, dort 1859 5., 1862 Vierter Professor, 1869-1875 Vorstand der Gesellschaft zur Förderung gemeinnütziger Tätigkeit, 1874 Mitglied des Oberschulkollegiums; 1848-1853 und 1855-1867 gewähltes Mitglied der Lübecker Bürgerschaft, wo er im Jahre 1859 das Präsidium der bürgerschaftlichen Kommission wegen der Einführung der neuen Gerichtsverfassung führte.

Bürgerschaftliches Mitglied in der „Rechnungs-Revisions-Deputation“; Mitglied des Komitees der großen Sängerfeste in Lübeck, insbesondere 1847 als Vicepräses des Allgemeinen Deutschen Sängerfestes, zu dem 1.800 Teilnehmer aus dem gesamten deutschen Sprachraum nach Lübeck reisten.

Weitere Veröffentlichungen u. a.:
„Grundriß der deutschen Grammatik für Engländer" (1839), „Vocabularium für den griechischen Hülfsunterricht nebst Aufgaben zu mündlichen und schriftlichen Übungen" (1852), „Die Thorsperre in Lübeck. Eine geschichtliche Darstellung. (Gratulationsschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Bürgermeisters Roeck)" (1864), „Die hiesigen Stipendien (Gratulationsschrift zur Wahl des Senators Dr. W. Plessing)" (1867), „Professor Gustav Evers. Eine Lebensskizze" (1859).

Lit.:
Landesarchiv Schleswig-Holstein, Abt. 47.7 Nr. 19 (mit eigenhändigem Lebenslauf in lateinischer Sprache); August Sartori, Professor Dr. C. H. D. Ein Lebensbild (Programm Lübeck Gymnasium) 1880; Kössler Personenlexikon (2008); Lönnecker (2015), S. 195 f., Nr. 339. Internet (18.11.2014): C. H. D. (Wikipedia). Mitteilung des Landesarchivs Schleswig-Holstein (Dagmar Bickelmann) v. 14.11.2014.
H.L, K.O.

 

Gottlob Dill

Dill, Gottlob, geb. 30.08.1885 in Niederstetten (OA Gerabronn) als Sohn eines Apothekers, Kaufmanns und Gemeinderates, gest. 30.01.1968 in Stuttgart-Rohr (Germania-Tübingen 1904).

Nach Besuch der Volks- und Realschule in seiner Heimatstadt, der Oberschule in Schwäbisch Hall und des Dillmann-Realgymnasium in Stuttgart zunächst Militärdienst als Einj.-Freiw. beim 3. Württ. Feldartillerie-Reg. Nr. 49 (Lt. d. R.); 1904-1912 Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und Leipzig, dann wieder in Tübingen; Kneipname „Gottlob”; 1909 Erstes juristisches Examen; Referendar in Mergentheim und Stuttgart.

1912 Gerichtsassessor in Ulm; ab 1913 Rechtsanwalt in Calw: 1914 bis 1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Olt., zuletzt Kommandeur einer Artillerie-Abteilung; mehrfach ausgezeichnet (EK I und II, RK des Württ. MVO), 1918 Hptm. d. R.. Nach Kriegsende Eintritt in den Staatsdienst, Staatsanwalt und Richter; ab Juni 1919 für ein Jahr Vorstand der Kriminalabteilung des Württ. Landespolizeiamts; März 1920 Dr. iur. Tübingen („Die Kapitalgesellschaft und ihre eigenen Anteile“); ab Apr. 1921 als Regierungsrat Leiter des Amtsgerichts-Gefängnisses Stuttgart-Stadt; seit Apr. 1923 Landrichter, zuletzt ab Okt. 1927 als Landgerichtsrat in Stuttgart.

Im Zuge der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933 Stellv. Reichskommissar für das Polizeiwesen in Württemberg bzw. Stellv. Polizeikommissar für Württemberg; Anfang Mai 1933 Mitglied der NSDAP (Nr. 326470, kurz darauf revidiert auf 921743) und des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen; noch 1933 als Ministerialdirektor ranghöchster Beamter im Württ. Innenministerium und später Stellvertreter von Innenminister Jonathan Schmid (1888-1945).

Dill wirkte viel für Verfolgte und Hilfsbedürftige: Ab Juli 1933 gehörte er für die Deutschen Christen dem Evang. Landeskirchentag und -ausschuss an. Wegen seiner Teilnahme am Kirchenkampf wurde er kurzzeitig inhaftiert. Ein Jahr nach dem Anschluss Österreichs wurde er im Apr. 1939 Amtsleiter des Reichsstatthalters für die Ostmark in Wien (bis Aug. 1939). Im Apr. 1939 trat er in die SS (SS-Nr. 327310) als SS-Standartenführer ein und wurde nur wenige Monate später zum SS-Oberführer befördert. Nach dem Überfall auf Polen war D. bis Okt. 1939 Chef der Zivilverwaltung (CdZ) beim Oberkommando der 14. Armee in Krakau.

Nach Kriegsende bis 1947 in den Internierungslagern Stuttgart, Kornwestheim, Darmstadt sowie Ossweil bei Ludwigsburg festgehalten, nach zwei Spruchkammerverfahren im Sept. 1949 schließlich als „Minderbelasteter” entnazifiziert. Er erhielt ab 1950 eine Pension.

Lit.:
BArch Berlin (ehem. BDC), 850 153; Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. HStA Stuttgart, EA 4/150 Bü 225. Burschenschafter-Stammrolle 1934 (1934), S. 86; Führerlexikon (1934), S. 97; Wer ist's? 10 (1935), S. 300; BL 1 (1940), S. 107; Frank Raberg, G. D. (1885-1968), in: Rainer Lächele/Jörg Thierfelder (Hrsg.), Wir konnten uns nicht entziehen. Dreißig Biographien zu Kirche und Nationalsozialismus in Württemberg (1998), S. 189-205; Bogdan Musial, Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement: eine Fallstudie zum Distrikt Lublin (1999), S. 396; Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), S. 35-39; Klee (2003), S. 111; Germania Tübingen (2008), Nr. 1707; Internet (24.02.2017): G. D. (Wikipedia), LEO-BW, Interner Schriftwechsel der SS über den württembergischen Beamten Dr. G. D. (27. Dez. 2014, Transkript Jutta Braun); Dill, Gottlob - Archivportal-D.
H.D.

 

August Henning Drechsler

Drechsler, August Henning, geb. 8.2.1802 in Ebeleben (Schwarzburg-Sondershausen) als Sohn eines Justizamtmanns, gest. 25.6.1885 in Arnstadt (Jenaische Burschenschaft 1821).

Studium der Rechtswissenschaften seit 1821 in Jena.

Amtsaktuar in Clingen (1825), 1836-1847 Justizamtmann des Justizamtes Schernberg-Ebeleben, 1848 Vorstand des Verwaltungsamtes Gehren, 01.07.1850-26.06.1855 Vorstand der II. Abteilung (Inneres) des Ministeriums in Sondershausen; 29.12.1851–23.05.1853 in allgemeiner Wahl erfolgreiches konservatives Mitglied des Landtags in Schwarzburg-Sondershausen für den Wahlkreis Ebeleben II. Der Landtag zerfiel in zwei Gruppen: eine, tendenziell liberalere, zu der D. gehörte, unterstützte die Regierung Friedrich Chop (1801-1875), der mit der Märzrevolution Chef des Ministeriums in Schwarzburg-Sondershausen wurde, vom 18.03.1848 bis zum 30.06.1850 als Chef des Geheimen Ratskollegiums sowie vom 01.07.1850 bis 04./07.01.1852 als Chef des Ministeriums (Staatsminister) und Vorstand der 1. Abteilung (Fürstliches Haus und Auswärtiges) in Sondershausen amtierte. Als der auch von D. unterstützte Verfassungsentwurf Chops 1852 der von Albert von Holleuffer (1803-1874) geführten Opposition unterlag, behielt D. zunächst seine amtliche Funktion, schied mit Ende der Wahlperiode 1853 aus dem Landtag aus, wurde 1854 Staatsrat, indes als Vorstand der II. Abteilung des Ministeriums 1855 zur Disposition gestellt.

Lit.:
Jochen Lengemann, Landtag und Gebietsvertretung von Schwarzburg-Sondershausen 1843-1923 (1998), insbes. S. 165; Lönnecker (2015), S. 200, Nr. 374. Internet (11.11.2014): Liste der Mitglieder des Landtags des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen (Wikipedia).
H.L, K.O.