Burschenschaft Aldania Wien

3.10.2014:  85. Todestag von Gustav Stresemann
 
Ein Burschenschafter erhält den Friedensnobelpreis !!

Gustav Stresemann (10.5.1878 - 3.10.1929) war:

  • 1907 national-liberaler Reichstagsabgeordneter in Berlin,
  • Auf einer Balkanreise 1916 kritisierte er den Völkermord an den Armeniern und vermerkt in seinem Tagebuch nach einem Gespräch mit Enver Pascha eine "Armenier-Verminderung 1–1½ Millionen" Menschen,
  • 1918 Gründer der Deutschen Volkspartei, die bis 1931 in den Weimarer Reichsregierungen vertreten war,
  • 1919 - 1929 Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und des Reichstages,
  • 1923  Reichskanzler,
  • 1923 - 1929 Reichsaußenminister.

  • Das alles ist mehr oder weniger bekannt.
    Weit weniger bekannt ist aber,
    daß er auch Berliner und Leipziger Burschenschafter war:

    Mitglied der Burschenschaften:

    Neogermania Berlin 1897
    Suevia Leipzig 1898
    sowie weitere Ehrenmitgliedschaften

    Ein Burschenschafter erhält den Friedensnobelpreis !!

    Der Burschenschafter
    Gustav Stresemann schreibt:

    "Wir halten hoch die alten Formen, tragen bunte Mützen und Bänder, wir heben den Becher und den Schläger, zechen, singen und jubeln oft bis tief in die Nacht.

    Aber geben uns zugleich hin ernstem wissenschaftlichen Streben, werten den Menschen nur nach seinen Charaktereigenschaften ...

    Fern von irgendwelcher Überhebung lehren wir Burschenschafter die Seelen, die sich zu uns bekennen, jede ehrliche Überzeugung zu achten, stets der sozialen Pflichten der Gebildeten eingedenk zu bleiben, nie nach dem äußeren Rocke zu sehen, sondern nach dem Herzen, das darunter schlägt.

    An die Stelle des vielfach herrschenden Chauvinismus setzen wir die alte, gute Vaterlandsliebe; an die Stelle einer gesellschaftlichhe Veräußerung des Ehrbegriffes setzen wir den Grundsatz, daß wahre Ehre nur durch Wahrhaftigkeit im Denken und Fühlen bewiesen werden könne.

    Und wecken in der Brust der jungen Seelen die so vielfach sonst beim deutschen Studenten verlorene Liebe zur Freiheit, lehren ihn hochhalten die Geistes- und Gewissensfreiheit, deren Palladium zu verteidigen die schönste Aufgabe gerade der studentischen Jugend ist.

    So fassen wir Freiheit, Ehre, Vaterland auf; in diesem Sinne stehen wir zu den schwarz-rot-goldenen Farben unserer Wahl."

    Und er stand zu seinen Farben, bis zu seinem Lebensende.

    Schon als er als 16-Jähriger auf einem Burschenschaftlichen Abend der Berliner Burschenschaft "Neogermania" eingeladen war, fiel er durch lebhafte Beteiligung an der Diskussion und durch seine Redebegabung auf.

    Er war begeistert von den in der Burschenschaft vertretenen Freiheitsidealen und so wurden die Burschenschafter Fritz Reuter und Carl Schurz, die für ihren Freiheitssinn Kerker und Auswanderung hinnehmen mußten, seine Vorbilder. Und er war begeistert vom burschenschaftlichen Leben, das ihm mit seinem echten geistigen und musischen Bedürfnis, gepaart mit nationalen und romantisierenden Neigungen so ganz entsprach. Er stieg schnell zum Sprecher seiner Burschenschaften Neogermania Berlin und Suevia Leipzig auf. Seine Redegewandtheit, unterstützt durch eine machtvolle Stimme und seine Überzeugungskraft beim Vortragen seiner Argumente begeisterte alle.

    Und er schlug auch Mensuren, er trat 5 mal zu Säbelpartien an, wobei die letzte Partie ihm den Lippenschmiß beibrachte.

    Ein Nobelpreisträger mit Schmiß !!

    Berühmt waren seine Abende, wo er seine außergewöhnlichen Kenntnisse aus Literatur und Geschichte in anschaulicher und seine Zuhörer immer wieder fesselnder Weise vortrug.

    Am 6.7.1926 bekannte er sich in einer Rede im Auditorium Maximum der Universität Berlin vor dem "Vereine Deutscher Studenten" zum Thema "Student und Staat" zu dem, was er ein Leben lang vorgelebt hatte. Er wies der studentischen Jugend, wie einst sich selbst, besondere Verantwortung zu. Sie war einst in Zeiten, in denen man den Begriff "Deutschland" in der Welt noch nicht kannte, Trägerin des Nationalgefühls. Dieses hatte in den Freiheitskriegen eine bedeutsame Rolle gespielt, und weiter in all dem, was mit dem Gedanken Burschenschaft zusammenhing. Auch Burschenschafter sind unter den "Männern der Paulskirche" gewesen, man denke nur an Gagern, und unter den 48-er Demokraten.
    Der Sinn dieser Gedenkfeier lag -und liegt heute- nicht nur im Zitieren des Vergangenen, viel mehr im Bekenntnis zu dem für uns alle bis auf den heutigen Tag gültigen Erbe dieser großen deutschen Menschen. Die studentische Jugend und da besonders die Angehörigen der studentischen Verbinungen, der Korporationen, haben die Verpflichtung, dieses Erbe mit Leben zu erfüllen, eingedenk dem Wahlspruch

    "Freiheit, Ehre, Vaterland."

     

    Leider hielten sich in den darauffolgenden Jahren nicht alle an diese hehren Grundsätze und verließen die durch die Burschenschaft vorgegebenen humanistischen Wege.


    Das große Ziel Gustav Stresemanns in den 20er Jahren war die Beendigung der außenpolitischen Isolierung Deutschlands und damit die Wiedereinbindung in die internationale Gemeinschaft.

    Er strebte die Revision des Versailler Vertrages mit friedlichen Mitteln an. Ziel waren u.a. Erleichterungen in Fragen der Reparationen, vorzeitige Räumung des besetzten Rheinlandes. Denn in diesem "Schanddiktat" sah er die Entehrung Deutschlands. Als Voraussetzung für eine angestrebte Veränderung des Versailler Vertrags befürwortete er zunächst dessen Anerkennung, um durch offensichtliches und redliches Bemühen um die Erfüllung der Bedingungen nachzuweisen, daß diese Erfüllung letztlich gar nicht möglich ist und so eine Revision des Vertrages zu erreichen.

    Übrigens hat auch in Österreich Staatskanzer Karl Renner den Vertrag von St. Germain nur notgedrungen unterschrieben und dazu gesagt: "Uns geschieht Unrecht, unsühnbares Unrecht!".

    Die Weimarer Republik war durch den Versailler Vertrag von 1919 verpflichtet, Reparationen in Höhe von 132 Milliarden Goldmark an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu leisten. Das war nun eine horrende Summe und Deutschland geriet mehrfach in Zahlungsrückstand. Aber vor allem der französische Ministerpräsident Poincaré bestand auf einer kompromisslosen Erfüllung der Bestimmungen des Versailler Vertrages. Aufgrund von Verzögerungen der Lieferungen besetzten französische und belgische Truppen zusätzlich die Städte Duisburg und Düsseldorf.

    Als am 9. Januar 1923 die Reparationskommission behauptete, die Weimarer Republik halte absichtlich Lieferungen zurück (unter anderem seien 1922 statt geforderter 13,8 Millionen Tonnen Kohle nur 11,7 Millionen geliefert worden), besetzten französische und belgische Truppen am 11. Jänner 1923 das deutsche Ruhrgebiet.

    Stresemann unterstützte zunächst den passiven Widerstand der Regierung. Dieser "Ruhrkampf" sah vor: An Frankreich und Belgien wurden keine Reparationen mehr gezahlt, Betriebe und Behörden leisteten teilweise den Anordnungen der Besatzer nicht Folge. Frankreich reagierte darauf mit 150.000 verhängten Strafen, die mitunter bis zu Ausweisungen aus dem eigenen Land Gebiet gingen. Dann erfolgten Anschläge, worauf die französische Besatzungsmacht mit Sühnemaßnahmen reagierte, die Situation eskalierte und 137 Tote forderte.

    Am 26.5.1923 wurde Albert Leo Schlageter, der der katholischen Verbindung Falkenstein Freiburg (CV) angehörte, von französischen Besatzern des Ruhrgebietes hingerichtet.

    Der neue Reichskanzler Gustav Stresemann (13.8.1923) sah sich schließlich am 26. September 1923 gezwungen, den Abbruch des passiven Widerstandes zu verkünden. Das Ende des Ruhrkampfs ermöglichte eine Währungsreform, welche die Bedingung für eine Neuverhandlung der Reparationen war. Damit hat sich der Kampf letztendlich doch gelohnt.

    1926 erreichte Stresemann nach schwierigen, multilateralen Verhandlungen und ersten Vereinbarungen wie dem Locarnopakt, daß mit der Aufnahme Deutschlands (genauer der Weimarer Republik) in den Völkerbund und der Zuerkennung eines Sitzes im Völkerbundrat wenige Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges das einst verhasste Deutschland wieder vollwertiges Mitglied der Staatengemeinschaft wurde.

    Stresemann bekannte am 8. September 1926 bei seiner ersten Rede vor Vollversammlung des Völkerbundes:

    „Nur auf der Grundlage einer Gemeinschaft, die alle Staaten ohne Unterschied in voller Gleichberechtigung umspannt, können Hilfsbereitschaft und Gerechtigkeit die wahren Leitsterne des Menschenschicksals werden.“

    Unmittelbar danach traf sich Stresemann mit seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand. Bei dem Treffen kam es zu weitergehenden Absprachen. Darunter war das Angebot Frankreichs, die Rheinlandbesetzung zu beenden, das Saargebiet an Deutschland zurückzugeben und die alliierte Militärkontrolle aufzuheben. Im Gegenzug sollte Deutschland Frankreich wirtschaftlich entgegenkommen. Verwirklicht werden konnten diese Ziele aber bis zum Tod Stresemanns nicht.

    Für seine Versöhnungsarbeit erhielt der Burschenschafter Gustav Stresemann zusammen mit seinem französischen Kollegen Aristide Briand 1926 den

    Friedensnobelpreis.



    Wandtafel, Stresemann-Ehrenmal, im Kabinettsaal des Neues Zeughaus Mainz:

    „In diesem großen Zeitalter geht es nicht nur um die Beziehungen von einem Volk zum anderen.

    Sondern um eine Idee, die mehr ist als die Phrase, um eine Idee europäischer Kultur.

    Um eine Idee der Menschheitsentwicklung.“

    Die Ideen eines großen Burschenschafters !


    Gedenktafel im Hauseingang des Europa-Centers in der Tauentzienstraße 9, Berlin:

    Der Burschenschafter als Vorkämpfer für ein geeintes Europa !




    Der Burschenschafter Stresemann
    als politisches Vorbild im 21. Jahrhundert

  • Nur in einer stabilen Gemeinschaft ist es möglich, die berechtigten Interessen der deutschen Bundesrepublik und Österreichs selbstbewusst und erfolgreich zu vertreten.

  • Nationaler Isolationismus ist genauso ein Irrweg wie die kampflose Aufgabe des subsidiären Gründungsprinzipes der EU, das allein die demokratische Teilhabe aller Bürger gewährleisten kann und den Vaterländern Europas ihre kulturellen Eigenheiten belässt.

  • Ein freudiges Bekenntnis zu Europa, die aktive Mitgliedschaft in der UNO und anderen supranationalen Zusammenschlüssen (in Österreich unter Bewahrung der Neutralität) ist kein Widerspruch zur Vertretung eigener Interessen, sondern vielmehr eine Voraussetzung.

  • Die selbstbewusste Vertretung der eigenen Interessen mit diplomatischen Mitteln, die Bewahrung des Friedens durch Beachtung verbindlicher Verträge und Regulationsmechanismen und die Anerkennung der ebenso berechtigten Interessen und Eigenarten Anderer ist der weiterhin gültige Kern der Politik Stresemanns in der Zeit zwischen den Kriegen.

  • Auf diesen Kern konnte schon der Verbindungsstudent Konrad Adenauer (Katholische Studentenverbindung Arminia Bonn) aufbauen, als er das wirtschaftlich und politisch vernichtete, moralisch durch die Verheerungen der nationalsozialistischen Ideologie entwertete Restdeutschland wieder in den Kreis der freien Völker zurückbrachte.

  • Die selben grundlegenden Werte werden auch in Österreich den Bundeskanzler Leopold Figl (Katholische Akademische Verbindung Norica Wien im CV) geleitet haben, als er das wirtschaftlich und durch den Anschluß politisch vernichtete, moralisch durch die Verheerungen der nationalsozialistischen Ideologie entwertete und von Deutschland wieder getrennte Österreich wieder in den Kreis der freien Staaten zurückbrachte.

  • Darauf aufbauend erteilen wir sowohl der Politik der Entstaatlichung zugunsten eines künstlichen Superstaates ohne Rücksicht auf den Wertekanon und die Eigenarten der darin vertretenen Völker --

    -- wie auch den entgegengesetzten, aus Frustration über Fehlentwicklungen sowie wirtschaftlichen Ängsten geborenen Isolationismusbestrebungen eine eindeutige Absage.

     

    Des Burschenschafters Stresemann eigene Worte:

    "Europa ist nicht ein Gebilde, das für sich leben könnte.
    Europa ist nur möglich innerhalb der Welt
    und innerhalb der Weltwirtschaft."


  • Als Stresemann am 3.10.1926 starb und am 6.10. im Deutschen Reichstag und anschließend bei einem nicht endend wollenden Trauerzug durch Berlin das deutsche Volk unter Führung seines Reichspräsidenten Paul von Hindenburg von ihm Abschied nahm, gingen seine Bundesbrüder, deutsche Burschenschafter, seinem Sarg voran und Stresemanns Worte, um 1900 in Leipzig verfaßt, mögen hier für sich selbst sprechen:

    Wenn es ein jüngstes Gericht gibt, so glaube ich, daß unser ganzes Leben insofern eine Erfüllung oder Nichterfüllung des göttlichen Willens darstellt, zum Maßstabe des Richters dienen wird, nicht aber die Zugehörigkeit oder das Bekenntnis zu dieser oder jener Religion oder zu diesem oder jenem Dogma. Die möglichste Toleranz in allen Glaubenssachen halte ich für durchaus geboten.

    Gustav Stresemanns Begräbnis:
    Seine Söhne, hinter ihnen
    Reichtags-Vizepräsident Siegfried von Kardorff,
    Reichspräsident Paul von Hindenburg
    Reichskanzler Hermann Müller.

    Gustav Stresemanns Begräbnis:
    Trauerzug, angeführt durch die Chargierten seiner Burschenschaften
    Suevia Leipzig, Neogermania Berlin und Arminia Dresden.
    Der Trauerzug verharrt zu einer Schweigeminute
    vor dem Amtszimmer des Verstorbenen.

    Trauerkneipe zu Ehren des Bundesbruders Gustav Stresemann

    Autor Foto Gedenktafel in Berlin: Axel Mauruszat,
    Autor Foto Wandtafel in Mainz: Kandschwar,
    Lit: Der Burschenschafter Gustav Stresemann, von Ernst Anger, Bonn 1979.
    3.10.2014
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